Wie beschreiben Sie Glück? Welchen Einfluss hat Glück Ihrer Meinung nach auf die Leistungsfähigkeit Ihres Teams? Sind Ihre Mitarbeiter und Kollegen zufrieden? Die Antworten auf diese Fragen haben nicht nur Auswirkungen auf die täglichen Emotionen und den gemeinsamen Umgang. Sie haben auch Auswirkungen auf die Einnahmen und die Kultur eines Unternehmens.
Während wir versuchen, uns von sämtlichen Ablenkungen frei zu machen und endlos recherchieren, um herauszufinden wie wir unsere Konkurrenz überholen können, vergessen wir komplett, was uns wirklich wettbewerbsfähig macht und die Leistung fördert: ein positives Arbeitsumfeld!
Wir haben uns mit Shawn Achor — Glücks-Autor, Mitgründer und CEO von GoodThink und Redner bei TED Talk — darüber unterhalten, wie wichtig Glück am Arbeitsplatz ist und welche wissenschaftlichen Belege es dafür gibt, dass positive Einstellungen einen ausschlaggebenden Einfluss auf das Unternehmen haben. Lesen Sie das vollständige Interview:
1. Wie beschreiben Sie Glück? Ändert sich die Definition von Glück, wenn man älter wird?
Wir müssen Glück neu definieren. Vor vielen Jahrtausenden beschrieben die Griechen Glück mit “Freude, die wir empfinden, wenn wir danach streben, unser Potenzial zu entfalten”. Diese Sichtweise ändert die Art, wie wir nach Glück streben. Glück ist etwas, das auch in den Höhen und Tiefen des Lebens präsent ist und empfunden werden kann, wenn die Umstände gerade nicht so rosig sind. Glück verleiht uns das Gefühl, unserem eigenen Potenzial und persönlichem Wachstum näher zu kommen. Wir kommen unserem Potenzial näher, wenn wir unsere Beziehungen ausbauen, uns ein besseres Weltverständnis aneignen oder uns als selbstlose und mitfühlende Menschen weiter entwickeln.
Das Gegenteil von Glück ist nicht Unglück. Unglück kann uns dazu motivieren, positive Veränderungen vorzunehmen. Das Gegenteil von Glück ist Apathie, der Verlust von Freude am Leben. Für mich ist diese Definition von Glück zeitlos.
2. Wie kann man andauerndes Glück von sporadischen Momenten und gelegentlichem Vergnügen und Erfolg unterscheiden?
In den vergangenen fünf Jahren bereiste ich 51 Länder und habe dabei zwei Dinge gelernt: Jeder hat seine eigene Definition von Glück, aber die Faktoren, die Menschen glücklich machen, sind überall die gleichen. Wenn wir Glück messen, erlauben wir den Menschen ihre eigenen Definitionen anzuwenden. Genauso wie es im Krankenhaus keine Messgeräte für den Schmerz gibt, gilt das Gleiche auch für das Glück. Sie sind einfach so glücklich, wie sie sich fühlen. Aber die Ursachen von Glück sind universell.
Soziale Anerkennung und Beziehungen sind die wichtigsten Anzeichen von langfristigem Glück. Anhand meiner Studie habe ich festgestellt, dass ein Zusammenhang von 0,7 zwischen sozialer Anerkennung und Glück besteht (was unglaublich hoch ist) – höher als der Zusammenhang zwischen Rauchen und Krebs!
Generell gesagt hängt Glück stark davon ab, wie wir die Realität wahrnehmen. Deswegen gibt es Leute, die in Armut leben, aber trotzdem sehr glücklich sind, und wohlhabende Menschen, die zutiefst unglücklich sind. In den USA wurde bereits erkannt, dass es ausschlaggebend ist, nach Glück zu streben und nicht nur nach Erfolg. Dennoch haben die USA noch einen langen Weg vor sich, um sich in punkto Glück auf der Stufe von anderen, weniger entwickelten Ländern wiederzufinden, in denen soziale Beziehungen, körperlicher Aktivität und Zeit in der Natur zu verbringen zu den entscheidenden Glücksfaktoren zählen, und nicht, das Spiel des Materialismus mitzuspielen.
Ich hoffe, dass in den Schulen und Unternehmen die Philosophie “wenn man erfolgreich ist, dann ist man auch glücklich” nicht mehr angewendet wird, weil es sich längst herausgestellt hat, dass dem nicht so ist. Vielmehr müssen wir uns im Klaren darüber sein, dass Glück den Erfolg einer Nation und der Einzelpersonen gleichermaßen ankurbelt.
3. Welche Barrieren verhindern, dass Menschen glücklich werden?
Das größte Hindernis ist der feste Glaube vieler Menschen, dass sie sich nicht ändern können. Viele sind der Meinung, dass die Eigenschaft, positiv zu sein, angeboren ist und dass man sie sich nicht aneignen kann. Diese Denkweise ist nach wissenschaftlichen Belegen seit 20 Jahren veraltet.
Wir sind uns natürlich bewusst, dass die genetische Veranlagung anscheinend einen Einfluss auf Glück, Intelligenz und Erfolg hat, aber das liegt größtenteils daran, dass die durchschnittlichen Bürger nicht gegen ihre genetische Veranlagung angehen. Es kommt eher selten vor, dass wir uns von unserer genetischen Erbschaft lösen und selbstständig Gewohnheiten entwickelt, um unser Gehirn zu trainieren, sich anders zu verhalten. Wenn man die Genforschung unter die Lupe nimmt, die “beweist” dass die genetische Veranlagung einen starken Einfluss auf uns hat, werden Sie gleichzeitig feststellen, dass es überall Ausnahmen gibt, die belegen, dass unser Erbgut längst nicht das letzte Wort hat. Das sind die Forschungsergebnisse, die wir überall auf der Welt bekannt machen müssen. Wir können der Tyrannei unserer genetischen Veranlagung und unserem Umfeld entkommen und glücklich sein. Glück ist eine Möglichkeit, die wir selber auswählen können.
4. Welche 3 Tipps würden Sie jemandem geben, der große Schwierigkeiten hat, langfristiges Glück zu finden?
1. Üben Sie täglich dankbar zu sein, während Sie sich die Zähne putzen. Forscher haben herausgefunden, dass Menschen wesentlich optimistischer werden, wenn sie täglich drei neue Dinge entdecken, für die sie dankbar sind.
2. Schreiben Sie täglich eine positive Notiz oder eine E-Mail an jemandem, um Ihre Dankbarkeit oder Ihre Anerkennung gegenüber dieser Person auszudrücken. Es hat sich herausgestellt, dass diese kurzen Mitteilungen, für die Sie weniger als zwei Minuten brauchen, eine sehr positive Auswirkung auf die sozialen Beziehungen haben. Forscher haben festgestellt, dass unsere soziale Beziehungen ein genauso entscheidender Faktor für unsere Lebensdauer sind, wie Rauchen und Übergewicht.
3. Täglich 15 Minuten oder dreimal pro Woche eine halbe Stunde Cardio-Übungen zu machen, hat die gleiche Wirkung wie die Einnahme eines Antidepressivums.
5. Wenn Glück zum Erfolg führt (und nicht umgekehrt), welche Maßnahmen können wir am Arbeitsplatz ergreifen, um die Gesamtzufriedenheit der Mitarbeiter zu verbessern?
Die Zusammenfassung meines Harvard Business Review Artikels lautet: der größte Wettbewerbsvorteil in der heutigen Wirtschaft ist ein positives und engagiertes Gehirn. Ein positiv denkendes Gehirn hat einen fast unfairen Vorteil gegenüber demselben Gehirn in einem negativen oder neutralen Zustand. Wenn wir eine positive Einstellung haben, sind wir 31 % leistungsfähiger, haben eine 40 % höhere Wahrscheinlichkeitsquote befördert zu werden, 23 % weniger stressbedingte Symptome, 37 % höhere Verkaufsraten und die Liste hört hier längst noch nicht auf!
In meinem Buch “Before Happiness” beschreibe ich die X-Spot-Forschung, die belegt, dass wir uns umso schneller auf ein Ziel zubewegen, desto näher wir uns dem Erfolg fühlen. Nehmen wir als Beispielsfall ein Kaffee- und Teehaus, das den Kunden Bonuskarten anbietet, mit der Sie ein Kaffeepäckchen umsonst bekommen, wenn sie insgesamt 10 Päckchen kaufen. Diese Strategie funktioniert viel besser, wenn Sie den Kunden das Gefühl geben, dass sie schon einen großen Fortschritt gemacht haben: Sie schenken dem Kunden 2 Bonuspunkte, allerdings muss er dann 12 Kaffeepäckchen kaufen, um eins umsonst zu bekommen. In dem ersten Fall fängt der Kunde bei 0 % an. Im zweiten Fall hat er seinen Weg zum Ziel schon zu 18 % zurückgelegt. Deswegen sollten Sie darauf achten, wenn Sie Umsatzziele, Ziele für Ihre Produkte usw. aufstellen, ja sogar beim Erstellen von Checklisten, dass sie bereits Fortschritte beinhalten.
Sogar die kleinste Wahrnehmung von Fortschritt wirkt sich auf das Gehirn als Erfolgsbeschleuniger aus. Der X-Spot in einem Marathon liegt bei 42 km. Hier werden häufig medizinische Helfer an der Strecke aufgestellt, weil der Körper einen so großen Ansturm auf die neurochemischen Rezeptoren erhält, dass es manche Personen komplett überfordert. Natürlich wollen wir nicht, dass die Menschen einen Herzinfarkt bekommen, aber es verdeutlicht wie leistungsstark wahrgenommener Erfolg sein kann. Auf der Arbeit können wir einige dieser Beschleuniger einsetzen, um Progression zu fördern.
Glück ist eine Wahlmöglichkeit! Führungskräfte und Unternehmen können dazu beitragen, diese Wahl einfacher zu gestalten, indem sie den Mitarbeitern Positivitätstraining anbieten, soziales Engagement fördern und die Kollegen loben. Meine Aufgabe besteht darin, Unternehmen anhand von wissenschaftlichen Befunden zu überzeugen, dass der größte Wettbewerbsvorteil in der modernen Wirtschaft positiv eingestellte und engagierte Mitarbeiter sind. Diejenigen, die diese Erkenntnis verinnerlicht haben, können sie sich zunutze machen.
6. Nennen Sie mir einen großen neuen Trend, dem nicht genug Aufmerksamkeit gewidmet wird.
Genetische Veranlagung und die Lebensumstände bestimmen Ihr Glück, außer in dem Fall, dass Sie bewusst Ihre Mentalität und Ihre Gewohnheiten ändern. Wenn Sie dies schaffen, wird Ihr Glück nicht länger von der Tyrannei Ihrer genetischen Veranlagung, Ihrer Kindheit und den Lebensumständen bestimmt. Glück besteht nicht darin, zu glauben, dass wir uns nicht ändern müssen, sondern aus der Überzeugung, dass wir uns ändern können.
Wie fördern Sie positive Einstellungen am Arbeitsplatz?
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